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RESTRUKTURIERUNGEN MIT WEITSICHT

Restart Career im Gespräch mit Jens Jahn, BCG

Im Jahr 2024 stehen viele Unternehmen vor der Herausforderung, sich neu aufzustellen – sei es durch steigenden Kostendruck oder die Notwendigkeit, die Digitalisierung voranzutreiben und die Organisation entsprechend anzupassen. In vielen Fällen geht dies mit einem Stellenabbau einher, um sich sowohl organisatorisch als auch finanziell für die Zukunft zu wappnen. Wie Unternehmen diese heiklen Prozesse erfolgreich gestalten können, erläutert Jens Jahn im Interview mit Dr. Sabrina Zeplin, Geschäftsführerin der Outplacement-Beratung Restart Career. Jens Jahn ist Managing Director & Partner bei BCG und spezialisiert auf Transformation, Organisation, Change Management, People & HR.


Herr Jahn, Restrukturierungsberater sind derzeit offenbar stark gefragt. Mit welchen Herausforderungen wenden sich Unternehmen aktuell an Sie?

Die Herausforderungen, mit denen Unternehmen derzeit auf uns zukommen, sind vielfältig. Ein häufiges Anliegen ist der massive Kostendruck, der in vielen Branchen spürbar ist. Hinzu kommt die Notwendigkeit, die eigene Organisation an neue Anforderungen – wie etwa die Digitalisierung – anzupassen, was oft tiefgreifende Veränderungen mit sich bringt. Dabei geht es nicht nur um technologische Anpassungen, sondern auch darum, die Menschen in diesen Wandel einzubinden. Unsere Aufgabe besteht häufig darin, nicht nur die Effizienz zu steigern, sondern auch die Unternehmenskultur zu stärken und weiterzuentwickeln. Ziel ist es, Restrukturierungen so zu gestalten, dass sie langfristig nachhaltigen Erfolg bringen, ohne das Führungsteam und die Belegschaft zu demotivieren oder zu verunsichern.


Aktuell wird in der Presse viel über Restrukturierungsprogramme großer Unternehmen berichtet. Schadet eine solche Berichterstattung Ihrer Erfahrung nach den Unternehmen?

Das hängt sehr von der Art der individuellen Berichterstattung ab. Einseitige oder verzerrte Darstellungen können sicherlich Risiken bergen. Deshalb ist es entscheidend, dass Unternehmen in solchen Situationen eine proaktive Kommunikationsstrategie entwickeln, die klar und transparent aufzeigt, warum die Maßnahmen notwendig sind und wie sie die Zukunft des Unternehmens sichern sollen. So lässt sich verhindern, dass das Bild des Unternehmens ausschließlich durch externe Narrative geprägt wird, und gleichzeitig kann das Vertrauen der Mitarbeitenden und der Öffentlichkeit gewahrt bleiben.


Das können wir absolut bestätigen. Wenn Unternehmen nach der Restrukturierung wieder gezielt wachsen sollen, brauchen sie motivierte Mitarbeitende, eine zukunftsgerichtete Unternehmenskultur und eine starke Employer Brand. Eine von Restart Career gemeinsam mit Kununu durchgeführte Analyse zeigt, dass der Kununu-Score der Arbeitgebermarke durch Restrukturierungen durchschnittlich um 11 % sinkt – in einzelnen Fällen sogar um mehr als 25 %. Wie können Unternehmen einen Vertrauensverlust bei den verbleibenden Mitarbeitenden und zukünftigen Bewerbern nach einem Stellenabbau vermeiden?

Der Vertrauensverlust während und nach einer Restrukturierung ist eine große Herausforderung, denen sich ein Unternehmen stellen muss. Entscheidend ist, wie transparent und fair der Prozess abläuft. Kommunikation ist hierbei ein Schlüsselfaktor – nicht nur während der Restrukturierung, sondern auch danach. Die Mitarbeitenden müssen verstehen, warum diese Schritte notwendig sind und wie es danach weitergeht. Es ist wichtig, eine klare Vision für die Zukunft zu vermitteln und den Mitarbeitenden Perspektiven aufzuzeigen, wie sie Teil dieser Zukunft sein können. Gleichzeitig sollten Unternehmen in Programme investieren, die den betroffenen Mitarbeitenden einen fairen Übergang ermöglichen. Solche Maßnahmen signalisieren auch den verbleibenden Mitarbeitenden, dass das Unternehmen Verantwortung übernimmt und sich um seine Mitarbeitenden kümmert.


Ja, das deckt sich mit unseren Erfahrungen. In der genannten Studie zeigten sich drei Erfolgsfaktoren bei Unternehmen, deren Arbeitgebermarke die Restrukturierung ohne Schaden überstanden hatte: Sehr gute Kommunikation im Prozess, Unterstützungsangebote für Betroffene (Coaching/Newplacement) und Freiwilligenprogramme statt betriebsbedingter Kündigungen. Wie sind Ihre Erfahrungen mit Freiwilligenprogrammen? Wann sind sie sinnvoll, und welche Tipps haben Sie für die Umsetzung?

Freiwilligenprogramme können eine sehr wertvolle Komponente in einer Restrukturierung sein, insbesondere wenn sie gut durchdacht und professionell umgesetzt werden. Sie bieten Mitarbeitenden, die vielleicht schon länger über eine Veränderung nachdenken, die Möglichkeit, das Unternehmen zu verlassen, ohne das Stigma einer Kündigung. Wichtig ist, dass diese Programme fair und transparent gestaltet sind und von spezifischen Beratungsangeboten begleitet werden, damit die Mitarbeitenden fundierte Entscheidungen treffen können. Ein gut durchgeführtes Freiwilligenprogramm kann den sozialen Frieden im Unternehmen wahren und die Restrukturierung für alle Beteiligten erträglicher gestalten – und gleichzeitig die finanziellen und organisatorischen Ziele zügig erreichen.


Wir hören häufig die Sorge, dass es in Freiwilligenprogrammen zum ungesteuerten Verlust der Top-Leistungsträger kommt. Lässt sich das vermeiden?

Der potenzielle Verlust von Schlüsselmitarbeitenden zählt zu den am häufigsten genannten Risiken bei der Nutzung von Freiwilligenprogrammen. Es gibt verschiedene Strategien, um dieses Risiko zu minimieren. Eine bewährte Methode ist die Umsetzung einer optimierten Steuerung des Programms, basierend auf präzisen Daten, um sicherzustellen, dass kritische Fähigkeiten im Unternehmen erhalten bleiben. Zudem garantiert das Prinzip der 'doppelten Freiwilligkeit', dass sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber einer Trennung zustimmen müssen. In besonders sensiblen Bereichen können Schlüsselpersonen frühzeitig identifiziert und gezielte Maßnahmen zur Bindung ergriffen werden.


Wir hören auch oft die Sorge, dass Ziele aufgrund geringer Annahmequoten verfehlt werden könnten. Was sind Ihre Erfahrungswerte? Was beeinflusst die Annahmequote?

Die Annahmequoten bei Freiwilligenprogrammen können je nach Branche, Unternehmensgröße, spezifischer Unternehmenssituation und Region stark variieren. Ein wesentlicher Faktor für die Realisierung von ausreichend hohen Annahmequoten ist die Exzellenz des Prozesses selbst, wie z.B. persona-optimierte Ansprache und Angebote, die finanzielle Anreize sowie unterstützende Maßnahmen wie Outplacement oder Weiterbildung umfassen, effektive begleitende Kommunikation, sowie ein Echtzeit-Tracking von Gesprächen, um Rückmeldungen von Führungskräften und Mitarbeitenden zu erhalten. Diese Elemente sind Beispiele für Best Practices bei Freiwilligenprogrammen.


In einer umfangreichen, datengestützen Studie im Rahmen eines digitalen End-to-End-Freiwilligenprogramms, konnten wir zudem weitere interessante Verhaltensmuster erkennen und welchen Einfluss z.B. Teamstrukturen oder demografische Besonderheiten haben. Diese Erkenntnisse helfen uns, Freiwilligenprogramme optimal zu gestalten.


Nachdem sich Unternehmen von den betroffenen Mitarbeitenden auf bestmögliche Weise getrennt haben – sind Restrukturierungsprojekte dann typischerweise abgeschlossen? Oder was kommt danach?

Der Abschluss einer Trennungsphase bedeutet keineswegs das Ende des Restrukturierungsprojekts – im Gegenteil, in vielen Fällen beginnt dann die eigentliche Arbeit erst. Nach dem Stellenabbau geht es darum, die verbleibenden Teams neu zu formieren und zu motivieren. Das Unternehmen muss in eine Phase der Stärkung eintreten, in der Prozesse und Strukturen optimiert werden, um die zukünftigen Ziele zu erreichen. Hier ist es wichtig, die Unternehmenskultur zu festigen und den Mitarbeitenden eine klare Vision und einen Weg in die Zukunft aufzuzeigen. Diese Phase erfordert intensives Leader Enablement, Change Management und eine Kommunikation, die Vertrauen und Zuversicht in die Zukunft schafft.

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